Am 28. August 2024 fand ein hochkarätig besetztes Online-Forum zum Thema „Welternährung vegan und bio – eine Utopie?“ statt. Unter der Moderation von Alina Gieseke vom Förderkreis Biozyklisch-Veganer Anbau e. V. und der Mitwirkung zweier Experten aus dem Forschungsumfeld des Landwirtschafts- und Ernährungswandels, widmete sich die Veranstaltung der Frage, wie eine weltweite Ernährungssicherung im Einklang mit ökologischen und veganen Grundsätzen aussehen könnte. Der virtuelle Fachdialog, welcher über Zoom abgehalten wurde, lockte zahlreiche Interessierte und Fachleute an, die sich tiefgreifend mit den Potenzialen und Herausforderungen einer global veganen, ökologischen Landwirtschaft befassen wollten.
Im Mittelpunkt des Forums stand die zentrale Frage, ob der biozyklisch-vegane Anbau eine Utopie oder eine realistische Möglichkeit der globalen Ernährungssicherung sein könnte. Diskutiert wurden dabei Themen wie die Effizienz der Flächennutzung, die Klimabilanz veganer Landwirtschaft und die Auswirkungen auf die Kalorienbilanz. Die Referenten präsentierten in zwei kurzen Impulsvorträgen ihre Forschungsergebnisse, um den Diskurs einzuleiten und die Zuhörenden für das komplexe Zusammenspiel von Landwirtschaft, Ernährung und Klima zu sensibilisieren.
Martin Schlatzer, Ernährungsökologe und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) Österreich, brachte seine Erkenntnisse zu den Themen Landwirtschaft, Klimawandel, Tierethik und Ernährungssicherung ein. Er betonte die Rolle veganer Anbaupraktiken als Antwort auf die zunehmenden Herausforderungen des Klimawandels und die Frage, ob eine vollständige Umstellung auf pflanzliche Landwirtschaft die globale Ernährung sichern könnte. Schlatzer stellte drei Ernährungsszenarien und deren Auswirkungen auf das Tierwohl, die Flächenverfügbarkeit und das Klima in Österreich vor: einen um ein Drittel reduzierten Fleischkonsum, eine ovolakto-vegetarische sowie eine vegane Ernährung der Bevölkerung und zeigte auf, wie sich diese Szenarien auf die Ressourcen und die Umwelt auswirken könnten.
Auch wenn bereits die Auswirkungen eines reduzierten Fleischkonsums erheblich sind, so würden die größten Effekte bei einer rein veganen Ernährung zum Vorschein kommen: neben 1,8 Millionen Hektar Anbaufläche, die frei werden und so den Druck auf das Ackerland verringern würden, könnten auch 108 Millionen weniger Tiere gehalten und geschlachtet werden. Dies würde zu erheblichen Einsparungen bei den Treibhausgasemissionen führen, die mehr als zwei Drittel des Pariser Klimaziels für Österreich erreichen könnten. Schlatzer wies allerdings auch auf mögliche Zielkonflikte hin, wie etwa die Versorgung mit kritischen Nährstoffen, und regte an, das Thema Nährstoffkreisläufe als Forschungsgegenstand vertiefend zu betrachten.
Dr. Adrian Müller, wissenschaftlicher Mitarbeiter am FiBL in der Schweiz, brachte seine Expertise im Bereich nachhaltiger Ernährungssysteme ein. Er stellte verschiedene Szenarien eines veganen Ökolandbaus sowie einer veganen konventionellen Landwirtschaft und ihre möglichen Auswirkungen auf Klima und Nährstoffversorgung vor, und zeigte, wie durch einen sowohl ökologischen als auch veganen Anbau die Treibhausgasemissionen drastisch reduziert und Flächenressourcen effizienter genutzt werden könnten. Er teilte aber auch seine Bedenken im Hinblick auf die Verfügbarkeit von Nährstoffen in ökologischen Landbausystemen und den flächendeckenden Verzicht auf chemische Pflanzenschutzmittel.
Müller verdeutlichte zudem die Vorteile eines tierfreien Ernährungssystems und ging dabei auf Unterschiede zwischen „natürlichen“ und „technischen“ Lösungsansätzen ein. Die Hauptschlussfolgerung seiner Präsentation war, dass eine vegane und biologische Landwirtschaft auf der Ebene des gesamten Ernährungssystems zwar herausfordernd ist, aber als Leuchtturm für eine nachhaltigere Zukunft dienen könnte, ohne dass eine hundertprozentige Umsetzung zwingend erforderlich wäre.
Weitere Aspekte der Diskussion waren der Zusammenhang zwischen Zoonosen und Ernährung, die Herausforderungen der Importabhängigkeiten, und die alternative Nutzung von Weideflächen. Diese wurde u.a. in der Renaturierung durch Aufforstung, Wiedervernässung von Mooren und die Nutzung der Biomasse als pflanzliches Düngemittel zur Sicherung der Nährstoffversorgung, gesehen. Zudem wurde die Rolle von Mischkulturen und Fruchtfolgen angesprochen, die für die Produktivität und die Nährstoff- sowie Kalorienversorgung durch die Landwirtschaft eine entscheidende Rolle spielen.
Für alle, die das Forum verpasst haben, steht die Aufzeichnung des Gesprächs bereits auf YouTube zur Verfügung.
Die Veranstaltung war ein inspirierender Schritt in Richtung einer neuen Perspektive auf die globale Ernährung und die notwendige Transformation, die unsere Gesellschaft für eine nachhaltigere und gerechtere Zukunft anstrebt.