Erst, wenn die beste Wahl für Menschen, Tiere und Umwelt auch die einfachste und günstigste ist, kann die Transformation unseres Ernährungssystems in der Breite gelingen. Die nun von Lidl verkündete Preisgleichheit von pflanzlichen Alternativprodukten ist hierbei ein entscheidender Meilenstein, gerade auch wegen der Signalwirkung für die ganze Branche des Lebensmitteleinzelhandels.
Wer sich als Verbraucher*in bewusst für pflanzliche Alternativen zu Milch, Käse, Fleisch und weiteren Tierprodukten entscheidet, zahlte für diese Entscheidung bis vor Kurzem häufig einen besonders hohen Preis. Eine explorative Preisstudie der Ernährungsorganisation ProVeg von 2022 zeigte, dass ein Warenkorb mit zwölf pflanzlichen Alternativprodukten im Schnitt 53 Prozent teurer war als einer mit tierischen Pendants, mit deutlichen Unterschieden zwischen den einzelnen Produktkategorien. In der Folgestudie im September 2023 war der Unterschied zwar schon deutlich geringer. Dennoch war der pflanzliche Warenkorb im Schnitt aber immer noch 25 % teurer als einer mit tierischen Produkten. Eine Ursache für die Preisdifferenz ist die wesentlich stärkere Förderung der Tierindustrie und ihrer Produkte, beispielsweise durch unterschiedliche Mehrwertsteuersätze, Forschungsgelder und Agrarsubventionen. So fördert beispielsweise die Europäische Union die tierische Fleisch- und Milchindustrie 1.200-mal stärker als den pflanzenbasierten Sektor.1
Tierische Produkte verursachen außerdem Umweltverschmutzung, Bodendegradierung und Klimafolgen. Diese versteckten Kosten werden im Verkaufspreis jedoch nicht abgebildet und müssen daher von der Gesellschaft getragen werden. Darüber hinaus bedeuten die vergleichsweise geringen Absatzmengen im relativ jungen Sektor der alternativen Proteine, dass kostensenkende Skaleneffekte hier derzeit noch nicht erreicht werden können.
Der Einzelhandel ist sich dieser Punkte durchaus bewusst. Das Thema der Bepreisung wurde in der Vergangenheit wiederholt öffentlichkeitswirksam aufgegriffen. Doch bislang blieben die als Aufklärungskampagnen ausgerichteten Aktionen wie „Wahre Kosten“ von Penny2 oder „Klimapreis“ von REWE3zeitlich begrenzt. Die Preisanpassungen im Rahmen der befristeten Kampagnen waren zudem nicht verbindlich. Gerade angesichts der anhaltenden Inflation bei Nahrungsmitteln ist der Preis an der Kasse für Verbraucher*innen aber entscheidend. Während die allgemeine Inflationsrate zuletzt deutlich sank, liegt sie bei Nahrungsmitteln weiterhin bei 7,5 Prozent (gegenüber dem Vorjahresmonat).4 Die Entscheidung für ein pflanzliches Produkt fällt Verbraucher*innen besonders schwer, wenn diese mit Mehrkosten verbunden ist. Dies sind keine guten Voraussetzungen für einen breiten Ernährungswandel in der Gesellschaft
Die Ankündigung von Lidl, die pflanzlichen Alternativprodukte der Lidl-Eigenmarke Vemondo ab dem 11. Oktober 2023 dauerhaft und deutschlandweit preisgleich oder günstiger als ihre tierischen Pendants anzubieten5, ist somit ein wichtiger Meilenstein. Diese Preisgarantie gilt für Produkte mit ähnlichen Verpackungsgrößen und bezogen auf den Kilopreis. „Die Stellschraube Preis wirkt nachweislich. Deshalb haben wir dem Handel immer wieder empfohlen, sie auch zu nutzen. Diese Empfehlung hat Lidl nun in die Tat umgesetzt“, freut sich Dirk Liebenberg, Senior Food Industry & Retail Project Manager bei ProVeg. Die internationale Ernährungsorganisation, die seit vielen Jahren von Stiftung Zukunft jetzt! gefördert wird, begleitet den Discounter bereits seit 2019 beim Ausbau des pflanzlichen Sortiments. „Lidl setzt mit der Preisanpassung ein entscheidendes Signal. Wir sprechen erstmals von einer langfristigen, dauerhaften Preismaßnahme eines großen Einzelhändlers zur Förderung der pflanzenbetonten Ernährung“, so Liebenberg. Ein entscheidendes Signal, dass in der Branche nicht ungehört verhallte: Nur einen Tag später verkündete Kaufland, wie Lidl Teil der Schwarz-Gruppe, die Preisanpassung pflanzlicher Alternativprodukte der Eigenmarke an das Niveau der tierischen Pendants.6 Auch Aldi Süd und Penny folgten dem Beispiel Berichten zufolge zeitnah mit Preissenkungen.7 Diese Veränderungen machen Mut: Die beste Wahl für Menschen, Tiere und Umwelt wird endlich für breite Teile der Bevölkerung erschwinglich. Eine andere Zukunft ist möglich. Jetzt!
1 Stanford University (2023): How the meat and dairy sector resists competition from alternative animal products, Pressemitteilung vom 18.08.2023. Online unter: https://news.stanford.edu/2023/08/18/can-alternative-meat-compete/
2 Penny (2023): Umweltfolgekosten: Kampagnenwoche zu „Wahren Kosten“ als Grundlage für europaweit richtungsweisende Studie, Pressemitteilung vom 31.07.2023. Online unter: https://www.penny.de/presse/pressemeldung_wahre–kosten-310723
3 REWE (2023): Neue Angebote: REWE weist erstmals Klimapreise für Lebensmittel aus – Vegane Produkte tragen zu besserer Klimabilanz bei, Pressemitteilung vom 10.01.2023. Online unter: https://mediacenter.rewe.de/pressemitteilungen/rewe-weist-erstmals-klimapreise-aus
4 Tagesschau (2023): Teuerung bei 4,5 Prozent: Inflation sinkt im September deutlich, veröffentlicht am 28.09.2023. Online unter: https://www.tagesschau.de/wirtschaft/konjunktur/inflation-september-sinkt-102.html
5 Lidl (2023): Gleichberechtigung auf dem Teller: Lidl in Deutschland gleicht die Preise für vegane Artikel der Eigenmarke Vemondo an – Frische-Discounter erleichtert Kunden Zugang zu pflanzenbasierten Produkten ohne finanzielle Unterschiede, Pressemitteilung vom 11.10.2023. Online unter: https://unternehmen.lidl.de/pressreleases/2023/231011_proteinstrategie
6 Kaufland (2023): Preissenkung erleichtert Kunden weiter den Zugang zu Veggie-Produkten, Pressemitteilung vom 12.10.2023. Online unter: https://unternehmen.kaufland.de/presse/newsroom/2023/oktober/preissenkung-erleichtert-kunden-weiter-den-zugang-zu-veggie-produkten
7 Lebensmittelzeitung (2023): Aldi zieht bei Veggie-Preisen nach, Meldung vom 16.10.2023. Online unter: https://www.lebensmittelzeitung.net/handel/nachrichten/reaktion-auf-lidl-vorstoss-aldi-zieht-bei-veggie-preisen-nach-174030
>> Preisstudie von ProVeg 2022
>> Preisstudie von ProVeg 2023