Davon ist der Geschäftsführer des Vereins Ärzte gegen Tierversuche e.V. (ÄgT), Claus Kronaus, überzeugt. Auf internationaler Ebene intensivieren sich die Bemühungen, Projekte, Kongresse, Vernetzungen usw. rund um tierversuchsfreie, menschenbasierte Forschung stetig und geben viel Raum für Hoffnung. Um der Fülle an neuen, lebenswichtigen Informationen gerecht zu werden, hat ÄgT im Juli 2020 die weltweit erste Datenbank für „non animal technologies“ (www.nat-datenbank.de) zweisprachig ins Netz gestellt, die aktuell bereits fast 900 Einträge umfasst.
Eine solche Datenbank kann ein ganz wesentlicher Bestandteil eines umfangreichen Ausstiegsplans sein, wie ihn einige Länder, allen voran die Niederlande im Jahre 2016, bereits entworfen haben. Nun hat sogar das europäische Parlament eine gleichlautende, historisch zu nennende Entscheidung getroffen. Im September 2021 stimmten 97% (!) der 687 Abgeordneten für einen europäischen Ausstiegsplan aus dem System Tierversuch; es gab nur 4 Nein-Stimmen und 16 Enthaltungen! Dr. Kathrin Herrmann, Landestierschutzbeauftragte von Berlin, schreibt dazu in ihrer Pressemeldung: „Das ist ein großartiges Signal! Es macht deutlich, dass der dringend notwendige Paradigmenwechsel weg von Tierversuchen hin zu human-relevanter, tierfreier Forschung nicht mehr aufzuhalten ist!“
Bei allem berechtigten Optimismus muss aber mahnend daran erinnert werden, dass aus politischen Willensbekundungen erst bessere Gesetze, wissenschaftliche Anreizsysteme modifiziert und Fördergelder in Richtung tierversuchsfreie Forschung umgeschichtet werden müssen, bevor der Ausstieg Realität wird. Dies ist leider noch ein langer Weg.
Tierversuchsfreie Forschung kann Leben retten, wie ein Beispiel aus Februar 2021 zeigt. An der Berliner Charité hat ein Forscher einem 15jährigen Jungen, der am unheilbaren Leigh-Syndrom leidet, mit einem personalisierten Modell seines zentralen Nervensystems das Leben gerettet. Die Frage an die ewig gestrigen Tierexperimentatoren sei erlaubt: Wie soll so etwas mit Tierversuchen gelingen?
Wer angesichts dieser Entwicklungen noch am „Goldstandard“ Tierversuch festhält, dem ist wirklich nicht mehr zu helfen. Doch die starke Tierversuchslobby in Deutschland wird nicht aufhören, weiter an den Fakten und Entwicklungen vorbei zu argumentieren, um das System Tierversuch „auf Teufel komm‘ raus“ am Leben zu erhalten. Es wird spannend sein, wie die Tierversuchslobby nun auf die Entscheidung des europäischen Parlaments reagieren wird. Den Niederlanden hatte sie seinerzeit angesichts ihres Ausstiegsplans in respektloser, anmaßender Weise „eine tief sitzende, vielleicht unbewusste, generelle Forschungsfeindlichkeit“unterstellt. Vor dem Hintergrund der nun mehr als klaren Mehrheit von 97% im europäischen Parlament für einen europäischen Ausstiegsplan darf man berechtigt fragen, wer hier tatsächlich forschungsfeindlich ist?