Ein Moor-Pavillon mit einer immersiven Torfmoosinstallation – das gab es auf der Biennale in Venedig noch nicht. Das Künstlerkollektiv ENSAYOS und Wissenschaftler*innen des Greifswald Moor Centrum machen mit dem TURBA TOL – HOL HOL TOL benannten Projekt auf die Bedeutung der Moore für den Menschen aufmerksam. Der chilenische Landes-Pavillion verwandelt sich dafür in eine lebendige Moor-Landschaft. In Chile gilt es insbesondere in Patagonien riesige Flächen bisher noch intakter Hochmoore vor Bergbauvorhaben und Infrastrukturprojekten zu bewahren.

Die New Yorker-Künstlerin Christy Gast ist Teil des ENSAYOS Kollektivs und weilte für die Vorbereitungen der Ausstellung für drei Wochen in Greifswald. In Exkursionen und Gesprächen mit Wissenschaftlerinnen und Praktikern der Greifswalder Universität und der Succow Stiftung erfuhr Christy Gast, was Moore für den Klimaschutz bedeuten und wie sich nasse Moore in einer nachhaltigen Form der Landwirtschaft (Paludikultur) nutzen lassen. Zusammen mit Helfern vom Greifswald Moor Centrum wurden Anfang März ca. 60 m2 Torfmoos von einer Versuchsfläche per Hand geerntet und sorgfältig in Kisten verpackt. Die geschützten Pflanzen können Torfmoosexpertinnen der Universität Greifswald und des Torfwerks Moorkultur Rahmsloh liefern. Seit 2004 forschen sie zusammen zum Anbau von Torfmoosen u.a. auf einer inzwischen 17 ha großen Versuchsfläche zum Anbau von Torfmoosen nahe dem niedersächsischen Rastede bei Oldenburg.

Nach der Ernte folgt bereits ein kleiner Kunstakt: Bis Mitte März mussten die Torfmoose in Venedig angekommen sein, unbeschadet! Das gelang: In Venedig angekommen wurden die Moose jetzt sorgfältig in einem Torfmoos-Teppich geformt. Die Biennale selbst beginnt am 23. April und läuft bis 27. November diesen Jahres. Rund eine halbe Million Besucherinnen werden dort erwartet. Die Moose werden während dieser Zeit wie in einem künstlichen Moor leben und wachsen. Ein eigens installiertes System soll die Wachstumsparameter des Torfmoosteppichs überwachen und darstellen. Es informiert Besucherinnen darüber, wie viel Kohlenstoff akkumuliert und wie viel Wasser benötigt wird. Die Torfmoose spielen eine Schlüsselrolle in der Installation, genauso wie in den weltweiten Mooren. Schließlich sind sie die Haupttorfbildner in natürlichen Hochmooren. Weltweit gibt es 150 –450 Arten. Durch die Zerstörung ihrer Lebensräume sind viele Torfmoos-Arten in Deutschland gefährdet.

Der chilenische Pavillon wird kuratiert von Camila Marambio, der Gründerin von Ensayos, und umfasst eine immersive Installation der chilenischen Künstler Ariel Bustamante (Sound), Carla Macchiavello (Kunsthistorikerin), Dominga Sotomayor (Filmemacherin) und Alfredo Thiermann (Architekt). Die gemeinsame Installation führt die Betrachter in das Hol-Hol Tol – in das „Herz aus Torf“ in der Sprache der Selk’nam, der Ureinwohner Feuerlands.

HOL-HOL TOL in der Sprache der Selk’nam bedeutet “Herz aus Torf”

Zu den chilenischen Künstlerinnen gesellen sich internationale Künstlerinnen, Ökologinnen, Schriftstellerinnen und Geisteswissenschaftler*innen, die das Programm mit interdisziplinärem Wissen, Wissenschaft und öffentlichem Engagement bereichern. Ensayos-Kollaborateure in Norwegen, Australien und den USA arbeiten in „Gruppen“ von Künstlern und Ökologen, um die Ökologie und Kultur der Moore in ihren Regionen zu erforschen. Die drei Gruppen werden zum Beispiel einen globalen Moor-Duft kreieren und so zur multisensorischen Erfahrung des Pavillons in Venedig beitragen.

Das „Abkommen von Venedig“: weltweit Moore lokal schützen

Am 01. und 02. Juni 2022, am Welt-Moor-Tag, wird im Rahmen des Turba-Tol Projektes ein globales Moorsymposium in Venedig organisiert: das „Abkommen von Venedig“. Es wird internationale Partner zusammenbringen, um sich auf den Wert und die Praxis der Erhaltung und Wiederherstellung der Moore unseres Planeten auf lokaler Ebene auszutauschen. Die Veranstaltung wird von der Wildlife Conservation Society (WCS) Chile, Ensayos und dem Greifswald Moor Centrum / Succow Stiftung organisiert und von Ocean Space TBA21 in Venedig ausgerichtet. Fachleute aus den Bereichen Ökologie, Naturschutz, indigener Aktivismus, Klimapolitik und zeitgenössische Kunst werden verschiedene Ansätze zum Schutz von Mooren vorstellen und die entscheidende Rolle von Mooren für Biodiversität, Klimaschutz, Wasserqualität, aber auch von Kultur, Kunst und Wirtschaft beleuchten.

Das Symposium gipfelt in der Vereinbarung von Venedig, einer Erklärung zum weltweiten Schutz von Mooren auf lokaler Ebene. Die Vereinbarung wird am Welt-Moor-Tag (2. Juni 2022) unterzeichnet. Damit verpflichten sich Organisationen auf lokaler und regionaler Ebene, wie z.B. die Patagonian Peatland Initiative, konkrete Vorhaben für die ökologische und kulturelle Bewirtschaftung von Mooren zu entwickeln.

Die Vereinbarung von Venedig ist ein Bottom-up-Ansatz, der dem Bedürfnis kleinerer lokaler Initiativen entgegenkommt, als wichtiger Beitrag zum internationalen Moorschutzprozess anerkannt zu werden und die Kunst des Moorschutzes zu inspirieren. So wie jedes lokale Moor durch die Verringerung der Treibhausgasemissionen eine globale Auswirkung auf das Klima der Erde hat, so sind auch die lokalen Schutzbemühungen entscheidend für die Erhaltung der Moore auf globaler Ebene.

Foto: Perfekte Bedingungen für die Ernte von 250 Kisten Torfmoos für Venedig im leicht angefrorenem Hankhauser Moor (Foto: Christy Gast).
Foto: Torfmoose gondeln nach Venedig (Foto: Christy Gast).
Foto: Torfmoose im chilenischen Pavillon werden in ein halb künstliches, halb natürliches Moor modelliert (Foto: Christy Gast).
Kategorien: Projekt-News
Tags: Klimaschutz, Natur- und Umweltschutz